Virtuelle Teamarbeit erfolgreich gestalten

01.04.2020

Prof. Dr. Carsten C. Schermuly
Wissenschaftlicher Beirat von Commax Learning & Development

Die Corona-Pandemie zwingt viele Teams in die virtuelle Teamarbeit. Die Zusammenarbeit in virtuellen Teams scheitert häufig nicht an der Technik sondern an der Psychologie, denn es muss plötzlich auf Distanz und mit technischer Unterstützung weiter zusammen gearbeitet und auch geführt werden. Hier erhalten Sie acht Tipps für die erfolgreiche virtuelle Teamarbeit. Bitte beachten Sie aber: Jedes Team ist anders. Während das eine Team schon viel Erfahrung mit der virtuellen Zusammenarbeit hat, ist das für andere Teams vollkommenes Neuland. Bitte behandeln Sie deshalb die Tipps nur als Vorschläge.

Mehr Zeit für Kommunikation einplanen

Der direkte Kontakt von Mensch zu Mensch, der einen hohen Informationswert besitzt, ist in virtuellen Teams eingeschränkt. Stattdessen wird die Kommunikation in virtuellen Teams über technische Hilfsmittel vermittelt. Der häufig genutzte E-Mail-Austausch ist zeitversetzt, was zu längeren Antwortzeiten führt. Non- und paraverbale Hinweisreize fehlen oft im virtuellen Austausch oder sind nur reduziert wahrnehmbar. Um das auszugleichen, wird in virtuellen Teams mehr kommuniziert. Vor allem am Anfang ist der Kommunikationsaufwand viel höher als in der klassischen Teamarbeit. Es besteht Unsicherheit und über eine erhöhte Kontaktfrequenz wird diese abgebaut. Nach und nach baut sich Vertrauen auf und es wird wieder weniger kommuniziert. Gönnen Sie sich am Anfang der virtuellen Teamarbeit diese „Überkommunikation“ und denken Sie daran, dass sich diese nach wenigen Tagen bereits abschwächt.

Regeln verabschieden

Virtuelle Teamarbeit benötigt Regeln zur Zusammenarbeit. Diese sollten durch das Team gemeinsam festgelegt werden. Eine Regel könnte z. B. lauten, dass auf E-Mails werktags innerhalb von zwölf Stunden reagiert wird. Eine andere Regel könnte sein, dass jedes Teammitglied auch über sein Handy während der Arbeitszeiten erreichbar ist. Akzeptierte Regeln schaffen Verbindlichkeit, erleichtern die Koordination und reduzieren das Konfliktpotential in virtuellen Teams.

Klare Strukturen schaffen: Gemeinsame Arbeitszeiten, feste Treffen und klare Aufgabenverteilung

Während der virtuellen Teamarbeit besteht die Gefahr, dass das Team zeitlich aneinander vorbei arbeitet. Während Kollege A spät beginnt und bis in die Abendstunden arbeitet, beginnt Kollege B früh am Morgen. Dies erschwert die Koordination. Legen Sie pro Tag Kernarbeitszeiten fest, in denen die Teammitglieder spontan füreinander erreichbar sind und z. B. ein Austausch im Chat spontan und ohne Wartezeiten durchgeführt werden kann. Vereinbaren Sie feste Treffen, in denen sich das Team austauscht: Wo stehen wir gerade? Was sind die derzeitigen Herausforderungen? Wie bewältigen wir diese? Was sind die nächsten Schritte? Sorgen Sie dafür, dass die Aufgaben und Ziele klar sind. Wer ist für was bis wann zuständig? Welche Bring- aber auch Holschuld gibt es?

Kommunikationskanäle der Komplexität der Aufgabe anpassen

Je nach Komplexität der Kommunikationsaufgabe sollten die virtuellen Teammitglieder unterschiedliche Kommunikationskanäle wählen.

  • bei niedrig komplexen Kommunikationsaufgaben (zum Beispiel eine einfache Terminabstimmung): Schreiben Sie eine E-Mail oder nutzen Sie die Chatfunktion.
  • bei mittel komplexen Kommunikationsaufgaben (zum Beispiel Vorbesprechung des Kundentermins): Rufen Sie Ihren Kollegen an.
  • bei hoch komplexen Kommunikationsaufgaben (zum Beispiel fortgesetzter Streit zwischen den Kollegen): Initiieren Sie ein persönliches Treffen, wenn dies wieder möglich ist oder treffen Sie sich via Videokonferenz.

Vertrauen schaffen

Eine Metanalyse von Breuer, Hüffmeier und Hertel (2016) zeigt, dass Vertrauen besonders wichtig in virtuellen Teams ist. Vertrauen bedeutet sich verletzlich zu machen, denn Vertrauen kann auch missbraucht werden. Vertrauen heißt auch sich zu trauen. Machen Sie den ersten Schritt und schenken Sie Ihren Kollegen Vertrauen, so dass diese Ihnen Vertrauen zurückschenken könne. Treten Sie verbindlich, vorbildhaft und fair während der virtuellen Teamarbeit auf. Unterstützen Sie Ihre Teamkollegen, so dass diese Sie auch unterstützen möchten.

Abkehr von Kontrolle

Virtuelle Teamarbeit ist nicht gut kontrollierbar. Lassen Sie los und durchbrechen Sie den Teufelskreis des Mikromanagements. Virtuelle Teamarbeit und die Situation, in der sie gerade eingesetzt wird, ist hoch komplex. Komplexität löst bei vielen Menschen Stress aus und Stress sind vor allem Führungskräfte gewohnt mit Kontrolle abzubauen. Kontrolle führt zu Mikromanagement und dieses Mikromanagement macht die Mitarbeiter hilflos. Hilflose Mitarbeitende reduzieren aber nicht die Komplexität des Zustands sondern erhöhen diesen. Vertrauen Sie stattdessen Ihren Mitarbeitern und involvieren Sie sie in die Problemlösung. Delegieren Sie Verantwortung und lassen Sie Ihren Mitarbeitenden Freiheiten, um die gemeinsamen Herausforderungen zu meistern.

Empowermentorientiert führen

Führung ist ein wichtiger Erfolgsfaktor in virtuellen Teams und nicht nur die Führungskraft übernimmt Führungsaufgaben. In virtuellen Teams wechseln sich oft die Teammitglieder bei den Führungsaufgaben ab. Bewährt hat sich dabei der empowermentorientierte Führungsstil, der aus 6 Dimensionen besteht (Schermuly, 2019): 

Dimension

      ausgewählte Verhaltensweisen

 Führungsrolle

Sinnstiftung

 

  • erklärt, warum und wozu etwas getan wird
  • erarbeitet mit Mitarbeitern Zukunftsvisionen

 Sinnstifter

 

Kompetenz-
entwicklung
  • hilft die beruflichen Kompetenzen der Mitarbeiter zu fördern
  • gibt Mitarbeitern Feedback und regt sie zum Nachdenken über berufliche Probleme an
 Personal-
 entwickler
Verantwor-
tung
  • überträgt Mitarbeitern verantwortungsvolle Aufgaben
  • lässt die Mitarbeiter selbstständig entscheiden, wie sie arbeiten

   Ermächtiger

 

Partizipation

 

 

  • lässt Mitarbeiter bei wichtigen Entscheidungen mit– oder alleine entscheiden
  • informiert die Mitarbeiter über relevante Vorgänge rechtzeitig

Beteiliger

 

 

Individuelle Berücksich-
tigung
  • behandelt Mitarbeiter als Individuen
  • berücksichtigt ihre individuellen Kompetenzen und Bedürfnisse
Coach

 

Idealisierter Einfluss
  • handelt als Vorbild
  • wird hohen Standard selbst gerecht
Vorbild

Individueller Austausch und menschliche Bedürfnisse berücksichtigen

In der virtuellen Teamarbeit kommt die „eins zu eins Kommunikation“ häufig zu kurz. Ein Teammeeting folgt dem nächsten. Streichen Sie pro Woche ein Gruppenmeeting und erlauben Sie stattdessen informellen Austausch zwischen den Mitarbeitern. Verabreden Sie sich zu einem gemeinsamen Video-Mittagessen mit Ihrem Lieblingskollegen oder zu einem Telefongespräch während der Arbeitszeit. Und berücksichtigen Sie nicht nur die sozialen Bedürfnisse im Team. Feiern Sie z. B. auch kleine Erfolge. Seien Sie als Team stolz, wenn Sie etwas geschafft haben. Tauschen Sie sich über Ihre Highlights der Woche aus und sprechen Sie darüber, was Ihrer Arbeit Sinn gibt.