Transfererfolg von Trainings „Die Führungskraft hat den größten Einfluss und das sogar mit relativ leichten Mitteln.“

15.05.2018

Eine der spannendsten Fragen für Personalentwickler und Unternehmen, die Geld für Trainingsformate und Weiterbildungskonzeptionen ausgeben, ist natürlich, was die Trainings bringen und wie man den Transfer aus dem Training in den Berufsalltag steigern kann. Was die Wissenschaft zu dieser Frage beisteuern kann, erläutert Professor Schermuly in einem Interview:

Wie kann der Transfererfolg eines Trainings erhöht werden? Was weiß man aus der Wissenschaft?

Grundsätzlich ist der Transfererfolg, die Wirksamkeit eines Trainings, von vielen Dingen abhängig. Die Eigenschaften des Trainees oder Trainers als auch das Trainingsdesign spielen eine Rolle.

Baldwin und Ford unterscheiden zwischen zwei Arten des Transfers. Generalisierung bedeutet, dass zum Beispiel der Teilnehmer eines Konfliktseminars, die dort erworbenen Fähigkeiten nicht nur auf Situationen mit seinen Mitarbeitern anzuwenden lernt, sondern es schafft, diese auch bei Verhandlungen mit Kunden einzusetzen. Zum anderen sprechen wir von der Erhaltung des Transfers dann, wenn das Gelernte auch viele Monate nach dem Training zum Einsatz kommt.

Professor Schermuly, worauf sollte ich als Unternehmen achten, um die Wirksamkeit des Trainings zu unterstützen?

Ein wichtiger Faktor ist, auf welches Arbeitsumfeld der Mitarbeiter mit den neu erlernten Fähigkeiten trifft. Hat er überhaupt die Möglichkeit, die neuen Fähigkeiten einzusetzen, und wenn er sie einsetzt, welche Rückmeldungen bekommt er?

Welche Rolle kommt der Führungskraft zu?

Die Führungskraft hat den größten Einfluss und das sogar mit relativ leichten Mitteln. Dadurch, dass sich die Führungskraft Zeit nimmt, mit dem Mitarbeiter nach dem Training oder Workshop die Themen und Transferziele zu reflektieren, signalisiert sie nicht nur Wertschätzung, sondern kann auch dafür sorgen, dass der Mitarbeiter Gelegenheiten bekommt, die neuen Kompetenzen auszuprobieren.

Die Kollegen haben keinen Einfluss?

Doch, auch die Kollegen haben Einfluss. Unterstützung durch die Kollegen wie bei kollegialer Transferberatung oder Peermonitoring wirken positiv auf den Lerntransfer. Allerdings zeigen Studien, dass der Einfluss der Führungskräfte doppelt so hoch ist, wie der der Kollegen.

Was würden sie daher Unternehmen  bei Trainingskonzeptionen raten?

Wenn Unternehmen ein Training konzipieren, sollten sie immer das Lerntransferklima in der Organisation im Blick haben. Das kann sich zwischen Einheiten oder Abteilungen stark unterscheiden. Zur Messung des Lerntransferklimas gibt es valide Fragebögen, die man nutzen kann. Gleichzeitig würde ich darauf schauen, wie gut meine Führungskräfte darin sind, die Kompetenzen der Mitarbeiter zu entwickeln und gegebenenfalls hier Trainings vorab schalten oder mindestens die Trainingsinhalte mit den Führungskräften im Vorfeld besprechen.

Gehen wir davon aus, dass die idealen Bedingungen von Seiten der Organisation gegeben sind. Gibt es Merkmale auf Seiten der Teilnehmer, die dazu führen, dass der eine größere Transfererfolg aufweist als der andere?

Studien zeigen, dass Gewissenhaftigkeit als ein Persönlichkeitsfaktor der BIG 5, positiv mit dem Transfererfolg zusammenhängt. Da diese Dimension über verschiedene Situation recht stabil ist, hat hier der Trainer oder das Trainingsdesign wenig Einfluss. Es stellt sich die Frage, ob man durch viele kleine Impulse zwischen den Trainings auch diejenigen Teilnehmer ans “Lernen” erinnert, die weniger gewissenhaft sind.

Gewissenhaftigkeit hilft in vielen Bereichen, ist gleichzeitig vom Trainer oder dem Trainingskonzept nicht wirklich beeinflussbar. Worauf kann der Trainer einwirken?

Das Selbstvertrauen der Teilnehmer ist eine wichtige Komponente. Transfererfolge hängen positiv von der Selbstwirksamkeit des Teilnehmers ab. Hier hat der Trainer natürlich einen Einfluss durch beispielsweise den Schwierigkeitsgrad der Aufgabenstellungen. Die Teilnehmer sollten bereits im Training positive Kompetenzerfahrungen hinsichtlich des Transferstoffs machen.

Der Trainer hat zusätzlich noch einen Einfluss auf die Motivation, indem er Lernerfolge bereits im Training stattfinden lässt.

Jetzt haben wir die wesentlichen Protagonisten beleuchtet. Was weiß die Wissenschaft über den Einfluss des Trainingsdesigns auf den Transfererfolg?

Ein wichtiger Part, der oft vergessen oder den Inhalten geopfert wird, ist die Formulierung von Transferzielen. Am Ende des Trainings muss sich genug Zeit für klare Transferziele und notwendige Transferschritte genommen werden. Wir wissen alle selbst,  wie schwierig es ist, in unserem Alltag etwas umzustellen und wie schnell wir in unser gewohntes Verhalten rutschen. Hier können Trainer einen entscheidenden Beitrag leisten, indem sie Bewusstsein für Rückschläge schaffen, den Teilnehmern helfen, Selbstbelohnungen bei erfolgreicher Zielerreichung zu erlangen oder im Vorfeld schon Hindernisse für den Transfer identifizieren.

Aktuell hört man auf dem DGFP Congress 2018 oder anderen Veranstaltungen, dass sich die Arbeitswelt so schnell ändert, dass Jobtitel oder Jobbeschreibungen eigentlich überflüssig sind oder anders gesagt: viele Studenten von heute, werden später einen Beruf ausüben, den es heute noch gar nicht gibt. Welchen Einfluss und Anforderungen stellen diese Entwicklungen an die Konzeptionen von Trainings?

In den Umfeldern, wo sich die speziellen und generellen Kompetenzen sehr dynamisch ändern, müssen Personalentwickler und Dienstleister zu Experten bezüglich der Zukunft der Arbeit werden. Auch sollte man darüber nachdenken, sich das Fähigkeitsniveau der Trainingsteilnehmer vorher anzuschauen und eher übergeordnete Metakompetenzen zu trainieren, statt schnell veralteter Fachelemente.

Generell sollte auch eine Offenheit von verschiedenen Trainingsdesigns herrschen. So kann es sinnvoll sein, dass Intervalltrainings, also ein Wechsel von Lern- und Anwendungsphasen, stattfinden oder ein sogenanntes Action Learning.

/BB

Quelle Foto: SRH Hochschule Berlin